"Rich Kids" auf Sylt

 

"Ich kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte."
Mit diesen Worten drückte Max Liebermann am 30. Januar 1933 seinen Ekel vor dem Sieges- Fackelzug von Nationalsozialisten in Berlin aus.

"Ich kann gar nicht so viel Pastis trinken, wie ich kotzen möchte." war meine spontane Reaktion, als ich von den grölenden „Rich Kids“ auf Sylt gelesen habe.

Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Rassismus erleben wir in allen Altersgruppen, allen gesellschaftlichen Gruppen, ob Millionär oder Wohnungslosem, Frau oder Mann. Die ausländerfeindlichen Parolen grölenden jungen Menschen haben ja nur deshalb einen bundesweiten Aufschrei erlebt, weil es „Rich Kids“ waren, Kinder reicher Eltern. Mit kanalisiertem Neid erhöht sich die Aufmerksamkeit, kann auf „die“ zeigen, „hab ich doch immer schon gewusst.“

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, mit dem ich selten überein stimme, fragt richtiger Weise: "Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor, das ist doch auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären." Richtig Herr Merz, die Erklärung liegt in fehlender Erziehung im Elternhaus und fehlenden Bildungsangeboten in den Schulen.

Ganz gleich ob Migrationshintergrund, Arbeiterkind oder „von Beruf Kind“ wie jetzt auf Sylt, wenn Artikel 1 des GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ von den Eltern nicht gelebt wird, in den Schulen nicht gelebt wird, werden Asylunterkünfte brennen, eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner gedemütigt und durchschnittlich jeden 3. Tag (in Deutschland) ermordet, werden Übergriffe auf PolitikerInnen bis hin zu Mord unsere Demokratie gefährden, wird die AfD weiter erstarken.

Quer durch die Republik  werden zum Song "L’Amour toujours" rassistische Texte gesungen. Der Dance-Hit wurde von „Rechten“ gekapert, weil es sich auf den Song so gut tanzen und grölen lässt und deshalb auf vielen Festen gespielt wird. Gigi D’Agostinos zu seinem Hit aus dem Jahr 2001: »In meinem Lied geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es geht um den Wunsch, die Familie fest zu umarmen und Danke zu sagen, den Wunsch, »Worte der Liebe zu singen und gemeinsam zu tanzen. Das ist die einzige Bedeutung, die mein Lied hat«.

Einige Politiker haben den Königsweg gefunden - „der Song soll auf Volksfesten, in Bierzelten nicht mehr gespielt werden“. Als würde das die Menschen interessieren, die das Lied grölen wollen. Sie werden es tun, wo und wann immer sie wollen, mit und ohne Band. Einer EU-Studie 2023 in 13 EU-Ländern zufolge hat das Problem des Rassismus gegenüber Schwarzen in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Unter den 13 Mitgliedsstaaten, in welchen die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) für die Erhebung Befragungen durchführte, schnitt die Bundesrepublik sogar am schlechtesten ab. Sie werden in Deutschland weiter grölen.

Wir alle sind gefordert. Wenn in meiner Gegenwart menschenverachtende Parolen gegrölt, rassistisches und faschistisches Gedankengut verbreitet wird,  muss ich mich einmischen, dagegenhalten. Schwierig, erfordert Zivilcourage, aber notwendig. Wenn gefährlich, genau beobachten, ggf. filmen, dann anzeigen.

Und wer rassistische und rechte Straftaten begeht, muss die Konsequenzen tragen. Ein Journalist hat es für mich etwas burschikos, aber auf den Punkt gebracht:

 

„Wer hier mitmacht, muss mit Blessuren rechnen (Anmerkung: er meinte rechtliche Konsequenzen). Selbst schuld: Das gehört zum Berufsrisiko, wenn man mit Begeisterung das Arschloch spielt.“

 

28. Mai 2024